Ursprung der philippinischen Kampfkünste

Modern Arnis
Lapunti Arnis de Abanico Arnis
Panantukan

1526 sandte Ferdinand Magellan einen moslemischen Händler als Botschafter zu Si Lapu Lapu, dem Stammeshäuptling der Filipinos auf Mactan, mit der Nachricht „Unterwerft Euch dem König von Spanien oder Ihr werdet erleben, wie unsere Lanzen Wunden schlagen“. Als Antwort sandte der Häuptling “Wenn Ihr Lanzen habt, so haben wir Bambus-Stangen und Stöcke, die in Feuer gehärtet wurden.“ Dies führte zu dem wahrscheinlich ersten großen Arnis-Kampf in der philippinischen Geschichte. Er endete in dem Sieg des berühmten Kämpfers Lapu Lapu und machte seinen Namen in der Geschichte der philippinischen Kampfkünste unsterblich. Die traditionelle Waffe im Kali (der alten Bezeichnung für Arnis) war ein kurzer, angespitzter Stock, der im Feuer gehärtet wurde. Seit damals wird der Kämpfer aus Cebu von Arnis-Anhängern als der unbestrittene Vater des Arnis anerkannt. Interessanterweise haben die philippinischen Kampfkünste die Jahrhunderte überlebt. In einem Land, in dem die Regierung die Versorgung mit dem Lebensnotwendigen sicherstellen muss, gibt es einige Filipinos, die ihr Leben der Weitergabe ihres Erbes der Kampfkünste an zukünftige Generationen gewidmet haben. Ohne Unterstützung durch die Regierung haben sie ihre Künste bewahrt und weiterentwickelt. Während der spanischen Besatzung war es der Bevölkerung ab 1764 verboten, Kampfkünste auszuüben. Die spanischen Missionare, die in der Unterwerfung der Bevölkerung eine entscheidende Rolle spielten, führten die Moro-Moro-Spiele ein. In diesen Aufführungen sollte dargestellt werden, wie die Einheimischen mit Schwert und Schild dazu gezwungen wurden, das Christentum anzunehmen. Den Filipinos, die die spanischen Soldaten spielten, kam dies als willkommene Gelegenheit, Kali zu üben. So kam es zu dem neuen Namen, Arnis, benannt nach den Unterarmschützern, die in diesen Spielen getragen wurden. Häufig wurden die einzelnen Familienstile im Verborgenen und in weit abgelegenen Regionen weitergegeben und trainiert. Bis heute sind erstaunlich viele unterschiedliche Familienstile erhalten geblieben. Während des 2. Weltkriegs und des Vietnamkriegs wurden viele philippinische Kämpfer angeworben, was vielen die Möglichkeit einer US-Staatsangehörigkeit gab. Letztendlich wurde Arnis ab den 1970er Jahren in den USA populär, auch durch das Auftauchen der Kampfkunst in Actionfilmen. Dan Inosanto ist ein gutes Beispiel dafür. Die philippinischen Kampfkünste tragen unterschiedliche Bezeichnungen, die gebräuchlichsten sind Arnis, Eskrima und Kali.

Modern Arnis

Arnis ist eine von vielen unterschiedlichen philippinischen Kampfkünsten. Modern Arnis wurde von Großmeister Remy Amador Presas gegründet und Mitte der 70er Jahre zuerst in den USA und dann in Europa von ihm verbreitet. In Deutschland wurde Modern Arnis vom heutigen Bundestrainer Dieter Knüttel eingeführt, er ist einer der wenigen, die den Titel Datu (übersetzt als „Bootsführer“) tragen dürfen.
Modern Arnis beinhaltet vor allem den Kampf mit verschiedenen Waffen (Stock, Macheten, Messer, flexible Gegenstände und sogenannte Palm Sticks) und waffenlose Techniken (philippinisches Boxen, Kickboxen und Ringen).Im Arnis werden die Bewegungsabläufe überwiegend mit einem Stock trainiert. Wenn diese Bewegungsmuster erlernt sind, können sie auch auf Gegenstände des täglichen Lebens übertragen werden. Kugelschreiber, Buch, Handtuch, Schuh, Gürtel oder Zeitung werden dann in der Selbstverteidigung zu sinnvollen Hilfsmitteln. Arnis ist jedoch nicht nur Stockkampf, sondern ein viel umfassenderes System, in dem auch waffenlose Techniken und Übungen einen wichtigen Raum einnehmen.
Neben dem Modern Arnis, in dem der Stock die am häufigsten benutzte Waffe ist, wird im Training auch noch das klassische Arnis gepflegt. Hierbei werden vorwiegend traditionelle Doppelstock-, Schwert- oder Machetentechniken erlernt. Unsere fortgeschrittenen Schüler lernen auch den Umgang mit verschiedenen Messern und die waffenlose Verteidigung gegen diese Waffen, genauso wie die Abwehr von z.B. Baseballschlägern. Kann eine gefährliche Situation nicht vermieden oder gewaltfrei aufgelöst werden, sollen die Arnis-Techniken schnell, wirksam und ohne Schnickschnack eingesetzt werden können. Selbstverteidigung muss aus dem Stand, unaufgewärmt und in Straßenkleidung funktionieren – und das ohne akrobatische Fähigkeiten, bis ins hohe Alter.

Mittlerweile haben vor allem Techniken aus dem Panantukan (philippinisches Boxen) und diverse Hebel- und Festlegetechniken ihren Weg in unterschiedliche Selbstverteidigungs-Systeme gefunden.

Geschichte des Modern Arnis

Der Deutsche Arnis Verband (DAV) ist einer der größten Verbände für philippinische Kampfkünste in Europa und wurde 1985 an der Sporthochschule Köln gegründet. Zuerst betreut von Ernesto Presas, wurde 1994 die Unterstützung von Stilgründer Remy Presas gewonnen und bis zu seinem Tod 2001 eine intensive Kooperation gepflegt. Die durch diesen Kontakt neu gewonnenen technischen Impulse ergänzten und bereicherten das Modern Arnis in Deutschland nachhaltig. Heute orientiert sich das Modern Arnis des DAV in weiten Teilen am Stil von Prof. Presas. Es wird ein intensiver Kontakte zu verschiedenen Arnis Verbänden auf den Philippinen gepflegt, um auch nach dem Tod von Prof. Remy Presas eine stetige Weiterentwicklung des Modern Arnis in Deutschland und Europa zu erreichen.</p>

Lapunti Arnis de Abanico

Die zweite Kampfkunst, die bei uns trainiert werden kann, ist das Lapunti Arnis de Abanico. Lapunti zeichnet sich vor allem durch die Kreuzschritte, Fächerschläge (Abanicos) und starke Schlagkombinationen aus. Im Lapunti gibt es, ähnlich wie Katas in anderen Kampfkünsten, eintrainierte Schlagkombinationen und Bewegungsmuster. Diese können dann „auf Abruf“ sehr effektiv eingesetzt werden. Auch im waffenlosen Bereich werden verschiedenste Schlag- und Trittkombinationen trainiert, auch hier gibt es eine Vielzahl von Hebeln, Würfen und Festlegern. Wie im Modern Arnis wird Lapunti hautsächlich mit einem Stock trainiert, im fortgeschrittenen Bereich kommen Macheten und Messertechniken dazu. Der Stock im Lapunti ist etwas länger (ca. 80 cm) als im Modern Arnis.

Geschichte des Lapunti Arnis de Abanico

In den frühen 1950er Jahren war Filemon Caburnay ein bekannter Arnisador. Er nannte seine Kunst Lapunti, in Erinnerung an die Orte, an denen sie enstand: Labangon, Punta Princesa und Tisa. Der Begriff Abanico wurde hinzugefügt, da die Bewegungen denen eines Fächers ähnelten. Großmeister Filemon Caburnay gab seine Art des Arnis an seinen einzigen Sohn Prudencio Ondo Caburnay weiter.
Der Titel Großmeister wird im Arnis nur von anderen Arnisadores an den verliehen, der in seiner Kunst große Verbesserungen vornimmt. Ondo erwies sich als hervorragender Kampfkünstler und Erbe seines Vaters in der Absicht, Effizienz und Qualität seines Arnis ständig zu verbessern. Nicht lange nachdem sein Vater in 1960’ern starb, erhielt Ondo den Titel Großmeister. Er führte die Kreuzschritte ein und entwickelte Stück für Stück einen eleganten und und schnellen Stil, der fatale Konsequenzen für den Gegner haben kann.

Eine weitere Verbreitung erreichte Lapunti durch Raoul Gianuzzi aus Luxemburg. Mit 18 begann er, verschiedene Kampfkünste zu studieren, unter anderem Ninjutsu, Wieng Tshung, Savate, Judo und Kickboxen. 1980 trat er in die Luxemburgischen Armee ein und wurde später Ausbilder für Survival, Fallschirmspringen und Waffen in der Army Academy.
Er suchte nach einer Möglichkeit, die philippinischen Kampfkünste zu trainieren, und fand seinen Lehrer in Großmeister Ondo Carbunay und sein Arnis de Abanico. So begann die Verbreitung von Arnis de Abanico in Europa. Er eröffnete die Lapunti Arnis de Abanico Academy, unter den Schülern befinden sich die Polizei und die Sondereinheiten von Luxemburg.

Auch bei uns in Frankfurt kam das Lapunti Arnis de Abanico an und wurde zuerst nur den fortgeschrittenen Schülerinnen und Schülern weitergegeben. Einige Zeit gab es eine enge Kooperation mit Raoul Gianuzzi, die großen Einfluss auf das Lapunti hier in Frankfurt hatte. Besonders möchten wir hier unseren Dojo Leiter Bernd und die Leiterin der „Frauen in Bewegung e.V.“ Sunny hervorheben, die einige Trainingsreisen auf die Philippinen organisiert haben, um sich und damit unser Training weiterzuentwickeln. Mittlerweile tragen Sunny und Bernd den 8.DAN im Lapunti, Sunny erreichte als erste Frau überhaupt dieses Level.
Am Morgen des 03.02.2017 erreichte uns eine sehr traurige Nachricht, Lapunti Arnis de Abanico Supreme Großmeister Ondo Caburnay starb mit 74 Jahren. Wenn er ein Stock in der Hand hielt, hatte SGM Ondo immer ein Lächeln im Gesicht. Er liebt es, zu trainieren und zu unterrichten. Seine Schülerinnen und Schüler haben den Lapunti Arnis de Abanico Stil weltweit verbreitet.

Panantukan: das „Dirty Boxing“ der Philippinen

Panantukan ist das philippinische „Dirty Boxing“, das nicht auf eine sportliche Begegnung im Boxring ausgelegt ist, sondern ein effektives Nahkampfsystem zur Selbstverteidigung darstellt. Panantukan enthält im Kern viele Techniken, die im Ringsport streng verboten sind, wie Schläge zu den Schläfen, dem Unterleib oder dem Kehlkopf. Die Techniken sind analog zu den Messertechniken der philippinischen Kampfkünste und haben einen großen Fokus auf dem Kontern gegnerischer Angriffe. Eine weitere philippinische Eigenart ist das sogenannte „Gunting“, bei dem die angreifenden Gliedmaßen des Gegners abgewehrt und selbst zum Ziel des Verteidigers werden. Viele variable Festlege-, Wurf- und Haltetechniken ergänzen das Repertoire aus klassischen Boxtechniken, Ellenbogen- und Knietechniken. Wir trainieren das Panantukan nach dem Manonuda-System von Gianfranco Lanucara und haben einen regen Austausch mit ihm im Rahmen unseres Sommer-Trainingslagers und regelmäßigen Seminaren.